Zum Urteil des BVerfG

Bemessung der Regelleistungen nach dem SGB II verfassungswidrig


Das Bundesverfassungsgericht hatte sich aufgrund mehrerer Richtervorlagen mit dem 2005 umgestalteten Sozialrecht zu befassen. Während das Landessozialgericht Hessen in seinem Beschluss vom 29. Oktober 2008 (L 6 AS 336/07) die Regelleistungen für nicht ausreichend ansah, um eine Sicherung des Existenzminimums zu gewährleisten, hatte der 14. Senat des Bundessozialgerichts die unzureichende Begründung des von den Regelleistungen eines Alleinstehenden abgeleiteten Sozialgeldes für Kinder bemängelt (Beschlüsse vom  27. Januar 2009 - B 14 AS 5/08).

In seiner Entscheidung ist der Senat den Bedenken des Bundessozialgerichts gefolgt. Im Ausgangspunkt hat es den vom Gesetzgeber gewählten Ansatz gebilligt, das Existenzminimum durch einen pauschalen Festbetrag sicher zustellen. Die Methode zur Bestimmung der Basisleistung anhand eines statistischen Verfahrens sei nicht zu beanstanden, wie auch die Regelleistungen nicht evident unzureichend seien. Bei der Bemessung der Regelleistung habe der Gesetzgeber aber den von ihm selbst gewählten Ansatz nicht durchgängig beibehalten, da nach seiner Auffassung Abschläge für nicht regelsatzrelevante Leistungen ohne ausreichende tatsächliche Grundlage "ins Blaue hinein" geschätzt worden seien. So seien z.B. in ihrer Höhe nicht näher begründete Abschläge für Kraftfahrzeuge vorgenommen worden, ohne dass zugleich ggf. erhöhte Aufwendungen für den öffentlichen Personenverkehr berücksichtigt worden sei. Auch sei nicht zu erkennen, weshalb Ausgaben für Bildung bei den Regelleistungen nicht relevant sein sollten.

Diese methodischen Mängel setzten sich bei allen von der Basisleistung abgeleiteten Sätzen fort. Vor allem handele es sich dabei nicht um eine geeignete Methode, um das Existenzminimum minderjähriger Kinder zu bestimmen. Diese hätten einen eigenen, altersspezifischen Bedarf und dürften nicht als kleine Erwachsene behandelt werden. Gerade bei schulpflichtigen Kindern sei ein zusätzlicher Bedarf zu erwarten. Der Gesetzgeber habe nicht auf die Zuständigkeit der Länder verweisen dürfen, sofern nicht zugleich Ansprüche der Kinder auf entsprechende Leistungen sichergestellt seien.

Als Pauschbetrag gewährte Leistungen können nur dem Durchschnittsfall gerecht werden. Sie umfassen keine Sonderbedarfe oder atypische Verhältnisse, so dass das Gesetz in Härtefällen eine individuelle Anpassung ermöglichen muss.

Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber für eine Neuregelung eine Frist bis zum Ende dieses Jahres gesetzt. Bis zu diesem Zeitpunkt gelten die bisherigen Vorschriften fort. Allerdings kann bis zur einer Neuregelung ein  durch die Regelleistungen nicht gedeckter Bedarf in  zwingenden Fällen unmittelbar geltend gemacht werden.

Konkrete Vorgaben, wie die Regelleistungen künftig zu bemessen sind, enthält das Urteil nicht. Es gibt dem Gesetzgeber aber auf, dass die Bemessung nachvollziehbar, folgerichtig und  transparent vorzunehmen.

Welche Auswirkungen das Urteil auf die Höhe der Regelleistungen haben wird, lässt sich noch nicht abschließend übersehen. Eine Anhebung der in den Urteilsgründen besonders herausgestellten Leistungen für schulpflichtige Kinder ist jedoch ebenso zu erwarten wie weitergehende Ansprüche in besonderen Bedarfssituationen (z.B. vermehrte Fahrtkosten bei getrennt lebenden Eltern).